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Arzneimittelrecht: Wichtige Neuerungen nach der 14. AMG-Novelle und der Pharmabetriebsverordnung

Am 06. September 2005 ist das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (14. AMG-Novelle) in Kraft getreten. Begleitend dazu ist für das kommende Frühjahr eine Novelle der Pharmabetriebsverordnung geplant, welche die gesamte Handelskette bis zum Wirkstoffhersteller vor neue Aufgaben stellt.

I.        Allgemeines

Die 14. AMG-Novelle richtet sich vor allem an Arzneimittelhersteller und fällt sehr umfangreich aus: Es erfolgen Änderungen in den Bereichen Herstellung, Kennzeichnung, Zulassung, Generika, Information der Öffentlichkeit, Pharmakovigilanz, Transparenz, Überwachung sowie traditionell pflanzliche und homöopatische Arzneimittel. Zudem werden angrenzende Gesetze geändert: u. a. Heilmittelwerbegesetz (HWG), Apothekengesetz (ApoG), Infektionsschutzgesetz (IfSG), Patentgesetz (PatG), Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V). Besonderes Medieninteresse gilt der Aufnahme von Schönheitsoperationen in das HWG, soweit sich die Werbeaussage auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Indikation bezieht. Außerdem stehen die Vorschriften zum Ausgleich zwischen Original- und Generika-Herstellern im Mittelpunkt, nach denen Generika-Herstellern u. a. die vorzeitige Herstellung von Arzneimitteln zu Studienzwecken möglich wird.

Flankiert werden diese Änderungen durch die geplante Pharmabetriebsverordnung. Sie definiert die Rückverfolgbarkeit im Arzneimittelrecht neu. Nunmehr werden sämtliche Wirkstoffhersteller in die Erfordernisse einer GMP-gerechten Herstellung (Good Manufacturing Practise) einbezogen. Insbesondere die Wirkstoff-Großhändler müssen Ihre zuvor meist geheim gehaltenen Bezugsquellen gegenüber dem Arzneimittelhersteller offen legen. Arzneimittelhersteller dürfen in Zukunft nur noch Ausgangsstoffe verwenden, die nachweislich GMP-gerecht – oder zumindest nach vergleichbaren Standards – hergestellt wurden. Dies führt zu erheblichen Problemen für das Geschäft mit Wirkstoffherstellern aus Drittstaaten. Hinzu kommt die mangelhafte Richtlinienkonformität der Umsetzung der EU-Vorgaben. Dies führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem Human- und dem Tierarzneimittelbereich. Während die Arzneimittelhersteller gegenwärtig bemüht sind, die Vorgaben der 14. AMG-Novelle umzusetzen, wird der Verordnungsentwurf (Referentenentwurf) noch diskutiert.

II.       Ausgewählte Regelungsmaterien

1.       14. AMG-Novelle

a)      Herstellung, Personal

Die Organisation der Arzneimittelherstellung ist bestimmten Änderungen unterworfen. Dies liegt an der Einführung des Institutes der sachkundigen Person, die die Hauptverantwortung für eine ordnungsgemäße Herstellung, Prüfung und Freigabe trägt. Es ist klargestellt worden, dass die Freigabe zum Herstellungsprozess gehört und damit Teil der Registerführung durch die sachkundige Person wird. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 AMG muss jeder Betrieb dauerhaft über mindestens eine sachkundige Person verfügen. Die Anforderungen an die Sachkunde (§ 15 AMG) sind insbesondere Approbation als Apotheker oder spezifische Hochschulnachweise. Die zweijährige Praxiserfahrung bezieht sich nur noch auf die Arzneimittelprüfung. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 AMG muss ein Herstellungs- und ein Kontrolleiter mit ausreichender Fachqualifikation und Praxiserfahrung zur Verfügung stehen. Hier sind keine spezifischen Kenntnisse im Sinne des § 15 AMG erforderlich. Für kleine und mittelständische Unternehmen ist dies vorteilhaft. Sie müssen sich nunmehr nur noch eine Person mit Approbation oder vergleichbarer Qualifikation „leisten“. Allerdings gehören Herstellungs- und Kontrolleiter zum sog. Personal in Schlüsselstellungen und müssen die GMP-Anforderungen an Qualifikation und Erfahrung erfüllen.

b)      Produktkennzeichnung

Die Kennzeichnungsvorschriften wurden geändert. Die Arzneimittelhersteller müssen ihre Produkte in Zukunft nach den neuen Vorschriften gestalten. Das AMG sieht verschiedene Übergangsfristen für die Anpassung vor. Gemäß § 141 Abs. 1 AMG dürfen pharmazeutische Unternehmer ihre Arzneimittel, die noch nicht den neuen Vorschriften entsprechen, bis maximal zwei Jahre nach der ersten auf den 06. September 2005 folgenden Verlängerung der Zulassung oder Registrierung in den Verkehr bringen. Nach diesem Zeitpunkt sind nur noch Erzeugnisse zulässig, die unter Beachtung der neuen Kennzeichnungsvorschriften (§§ 10, 11 AMG) hergestellt wurden. Das Vorstehende bezieht sich auf das erste Inverkehrbringen durch den pharmazeutischen Unternehmer. Das bedeutet, dass Groß- und Einzelhändler ihre Arzneimittel nach diesem Zeitpunkt noch vertreiben können (= Abverkaufsfrist für Altprodukte). Nicht verlängerungsbedürftige Erzeugnisse (z. B. solche, die § 60 AMG unterliegen und von der Zulassung befreit sind) müssen ab 01.01.2009 den neuen Kennzeichnungsvorschriften entsprechen.

c)      Zulassung

Weitere Änderungen hat der Gesetzgeber bei den Zulassungsregelungen vorgenommen (§§ 21 ff. AMG). Eine wesentliche Erleichterung ist zukünftig, dass Zulassungsverlängerungen, die nach dem 01.01.2001 erteilt wurden, grundsätzlich unbefristet gelten (§ 31 Abs. 1a i. V. m. § 141 Abs. 6 AMG). Soweit die zuständige Behörde keine besondere Verlängerung verfügt, entfällt damit das Erfordernis, alle fünf Jahre eine weitere Verlängerung zu beantragen.

Bei der Antragstellung ist zu beachten, dass die Frist für die Einreichung der Unterlagen vorverlegt wurde von drei auf sechs Monate vor Ablauf der Zulassung (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AMG). Die Unterlagen in Bezug auf Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit sind vollständig zu überarbeiten; bei Tierarzneimitteln genügt eine konsolidierte Liste der Änderungen (§ 31 Abs. 2 S. 2 AMG).

Die Zulassung erlischt grundsätzlich, wenn das zugelassene Arzneimittel innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Zulassung nicht in den Verkehr gebracht wird, oder wenn sich das zugelassene Arzneimittel, das nach der Zulassung in den Verkehr gebracht wurde, in drei aufeinander folgenden Jahren nicht mehr im Verkehr befindet (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AMG, sog. Sunset-Clause).

Ein weiteres interessantes Novum ist der sog. „Compassionate Use“. Dabei handelt es sich um die Versorgung von Patienten, die an einer besonders schweren Erkrankung leiden, die mit herkömmlichen Medikamenten nicht zufriedenstellend behandelt werden können, mit Arzneimitteln bereits vor deren Zulassung. Von der Anwendung dieser Arzneimittel muss man einen hohen Nutzen erwarten. Die betreffenden Arzneimittel müssen sich gemäß Art. 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 entweder im Zulassungsverfahren befinden oder Gegenstand einer laufenden klinischen Prüfung sein. Die Prüfung sollte fast abgeschlossen sein, sodass ausreichend Daten verfügbar sind, um hinreichende Sicherheit für die Patienten zu gewährleisten.

d)      Generika

Die Vorschriften für die Generika-Zulassung sind neu völlig gefasst worden (§§ 24a f. AMG). Danach können Generika-Hersteller mit schriftlicher Zustimmung der Vorantragsteller auf deren Unterlagen einschließlich Sachverständigengutachten Bezug nehmen. Die Zustimmung ist entbehrlich bei gleicher Art und Menge der Wirkstoffe, gleicher Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel und nachgewiesener Bioäquivalenz, sofern das Referenzarzneimittel seit mindestens acht Jahren zugelassen ist (§ 24 b Abs. 1 und 2 AMG).

Zudem wird die sog. Bolarregelung in § 11 Nr. 2b Patentgesetz (PatG) eingeführt. Danach dürfen Generika-Hersteller bereits vor Ablauf des Patents Studien, Versuche und weitere erforderliche Schritte unternehmen, die sie bereits vor Ablauf des Patentschutzes in die Lage versetzen, nach dem Stichtag des Ablaufs des Patentschutzes mit ihrem Produkt an den Markt gehen zu können.

e)      Berichtspflichten, Pharmakovigilanz

Gemäß § 63b Abs. 5 AMG muss der Zulassungsinhaber der zuständigen Bundesoberbehörde einen regelmäßig aktualisierten Bericht über die Unbedenklichkeit des Arzneimittels unverzüglich nach Aufforderung oder mindestens alle sechs Monate nach der Zulassung bis zum Inverkehrbringen vorlegen. Die Berichte muss er unverzüglich während der ersten beiden Jahre nach dem ersten Inverkehrbringen und einmal jährlich in den folgenden zwei Jahren vorlegen. Danach sind die Berichte in Abständen von drei Jahren oder unverzüglich nach Aufforderung vorzulegen. Nach § 63b Abs. 5b AMG darf der Inhaber der Zulassung im Zusammenhang mit seinem Arzneimittel keine die Pharmakovigilanz betreffenden Informationen ohne vorherige oder gleichzeitige Mitteilung an die zuständige Bundesoberbehörde öffentlich bekannt machen. Er muss sicherstellen, dass die Informationen in objektiver und nicht irreführender Weise dargelegt werden.

f)       Nebengesetze

Die nebengesetzlichen Regelungen betreffen insbesondere das Heilmittelwerbegesetz. In dessen Regelungsbereich werden ab 01.04.2006 nicht indizierte Schönheitsoperationen aufgenommen. Diese sind z. B. Brustvergrößerungen oder Fettabsaugen zur Verbesserung der Körperformen. Insbesondere suggestive und/oder irreführende Formen der Bewerbung derartiger Methoden sind nunmehr nach dem HWG verboten.

2.       Pharmabetriebsverordnung

Die Pharmabetriebsverordnung (PharmbtrV) wird gegenwärtig diskutiert und befindet sich im Entwurfsstadium (Referentenentwurf). Man möchte die Verordnung im kommenden Frühjahr verabschieden. Mit der Verordnungsänderung soll das deutsche Recht an den Humanarzneimittel- und an den Tierarzneimittelkodex[1] unter Einbeziehung des Leitfadens für die gute Herstellungspraxis (GMP-Leitfaden) angepasst werden. Von der Verschärfung der Vorschriften über die Rückverfolgbarkeit in der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellung und der Auslese von Stoffen, die nicht GMP-gerecht hergestellt wurden, verspricht man sich eine Erhöhung der Arzeimittelsicherheit.

a)      Anwendungsbereich

Die Pharmabetriebsverordnung (Verordnung für pharmazeutische Unternehmer) galt bislang insbesondere für Arzneimittelhersteller und nur für bestimmte Wirkstoffhersteller und Wirkstoffhändler (u. a. Wirkstoffe menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft). Der Referentenentwurf weitet den Anwendungsbereich aus auf sämtliche Hersteller und Händler von Wirkstoffen. Entsprechend ändert sich auch der Name der Verordnung in „Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer und Arzneimittel- und Wirkstoffhersteller“. Obwohl die 14. AMG-Novelle recht umfangreich ausgefallen war, hatte sie die Bereiche Rückverfolgbarkeit und Wirkstoffverwendung nicht berücksichtigt. Für viele Unternehmen kommt die Umsetzung der Richtlinien auf Verordnungsebene einigermaßen überraschend. Das gilt insbesondere für die Wirkstoff- und Arzneimittelgroßhändler, die sich bisher vor allem an der Großhandelsbetriebsverordnung orientiert haben.

b)      Rückverfolgbarkeit / Nachweise

Die Rückverfolgbarkeit wird erweitert: Vom Arzneimittelhersteller über den Wirkstoffhändler bis hin zum Wirkstoffhersteller werden alle Glieder der Handelskette einbezogen. Dies soll durch entsprechende Dokumentations- und Offenlegungspflichten der Beteiligten sichergestellt werden (§ 13 des Entwurfs PharmbetrV). Die Wirkstoffhändler müssen den Namen und die Anschrift des Originalherstellers, vom Originalhersteller erhaltene qualitätsbezogene Informationen und die vom Originalhersteller vergebenen Chargenbezeichnungen an ihre Kunden weitergeben.

Der pharmazeutische Unternehmer sollte sich von dem Wirkstoffhersteller eine Kopie der Herstellungsgenehmigung der zuständigen Behörden beschaffen. Damit ist er in der Lage nachzuweisen, dass „sein“ Wirkstoffhersteller nach dessen nationalem Recht zur Herstellung berechtigt ist.

Zudem muss sich der pharmazeutische Unternehmer beim Wirkstoffhersteller vor Ort vergewissern, dass dieser den Wirkstoff ordnungsgemäß und entsprechend der Herstellungs- und Prüfanweisung herstellt und prüft (§ 13 Abs. 4 S. 1).

c)      GMP-gerechte Wirkstoffproduktion

Wirkstoffhersteller aus dem EU-Ausland (Drittstaaten) müssen gleichwertig zu den europäischen GMP-Standards produzieren. Für die deutschen Arzneimittelhersteller bedeutet dies ggf. einen Wechsel des Wirkstoffherstellers. Gemäß § 5 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs sind zur Arzneimittelherstellung nur Wirkstoffe und andere Stoffe als Ausgangsstoffe zu verwenden, die gemäß der Guten Herstellungspraxis hergestellt wurden. Damit werden Art. 46 lit. f der geänderten Richtlinie 2001/83/EG und Art 50 lit. f der geänderten Richtlinie 2001/82/EG in deutsches Recht umgesetzt.

Diese Regelung wird flankiert durch § 13 Abs. 3a des Verordnungsentwurfs. Danach dürfen Wirkstoffe und andere zur Arzneimittelherstellung bestimmte Stoffe nur eingeführt werden, wenn ausreichende Unterlagen über Herstellung und Prüfung der Charge vom Originalhersteller vorliegen. Fehlen diese Unterlagen, sind zusätzliche analytische Prüfungen durchzuführen und der Freigabe zugrunde zu legen.

Die Herstellungsvorschriften werden auf Wirkstoffe ausgeweitet. Das betrifft besonders die Wirkstoffhersteller im Inland. Diese müssen vor allem die Wirkstoffproduktion in ihr pharmazeutisches Qualitätssicherungssystem einbeziehen, Validierungen prüfen und Verfahrensanweisungen ggf. neu gestalten. Gleiches gilt für die Dokumentationspflichten.

III.      Fazit

Die jüngsten gesetzlichen Neuerungen im Pharmasektor sind erheblich. Sie führen zu einem erhöhten Anpassungsbedarf der Geschäftsprozesse insbesondere bei Arzneimittelherstellern, aber auch bei Wirkstoffherstellern und Wirkstoffhändlern. Während die 14. AMG-Novelle als weitgehend gelungene, wenn auch nicht widerspruchsfreie Umsetzung der Richtlinien zu bewerten ist, lässt die Pharmabetriebsverordnung wesentliche Fragen offen. Eine endgültige Fassung ist längst noch nicht ausdiskutiert. Z. B. wird es um die Frage gehen, inwieweit sich die Novellierung auf „sonstige Stoffe“ bezieht. Es erscheint schwierig, sämtliche Stoffe in die GMP-gerechte Herstellung einbeziehen zu wollen. Viele dieser Stoffe werden für die chemische Industrie nach deren Vorgaben produziert. Dies trifft auch auf einen Teil der Wirkstoffe zu. Zudem lässt der Referentenentwurf der Pharmabetriebsverordnung im Gegensatz zu den Richtlinienvorgaben eine Differenzierung zwischen Human- und Tierarzneimittelherstellung vermissen: Sonstige Stoffe sind u. U. im Tierarzneimittelbereich von den GMP-Regeln zu befreien. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese und weitere Probleme bis zum Frühjahr 2006 gelöst werden. In jedem Fall sollten die angesprochenen Zielgruppen frühzeitig die entsprechenden Schritte zur Umsetzung der neuen gesetzlichen Handlungserfordernisse einleiten.

Stand: 16.12.2005, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de


[1]    Vgl. die Richtlinien RL 2001/83/EG; RL 2001/82/EG, jeweils in ihren konsolidierten Fassungen.