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VG Ansbach: Abgrenzung Kosmetika – Arzneimittel

Erzeugnisse können auch dann als Kosmetika eingestuft werden, wenn sie einen medizinischen Nebenzweck oder einen der pflegenden Wirkung untergeordneten vorbeugenden Verwendungszweck haben, solange die Hauptwirkung für den Verbraucher kosmetischer Natur ist (VG Ansbach, Urt. v. 20.11.2013, AN 1 K 11.02035). In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Verfahren war ein Verstoß gegen diverse Vorschriften des Kosmetikrechts (u. a. Kennzeichnungsrecht) festgestellt worden, nachdem eine Apothekerin dem Verbraucher Hautpflegemittel nach individuell wählbarer Rezeptur (verschiedene Basiscremes, Wirk- und Duftstoffe) angeboten hatte. Die Cremes wurden nicht arzneilich beworben. Lediglich die zur Wahl gestellten Wirkstoffe waren solche ambivalenter Natur (v. a. Vitamine und Pflanzenextrakte), deren Einsatzgebiete zumindest auch Krankheiten wie Akne sind. Das Gericht folgte den Überwachungsbehörden und erkannte insbesondere die Berufung der Apothekerin auf das Rezepturarzneimittelrecht nicht an.

Anmerkung: Will man mittels Berufung auf die sog. Zweifelsregelung des § 2 Abs. 3a AMG zu einer Einstufung eines Pflegemittels als Arzneimittel gelangen, bedarf es mehr als der Verwendung ambivalenter Wirkstoffe. Dem Verwaltungsgericht ist insoweit zuzustimmen, weil die Produktaufmachung selbst zunächst einmal einen Zweifel beim Verbraucher hervorrufen muss, ob ein Kosmetikum oder ein Arzneimittel vorliegt. Da im vorliegenden Fall kein Funktionsarzneimittel vorlag, konnte man nur über den Präsentationsarzneimittelbegriff zu einer Arzneimitteleigenschaft gelangen. Dieser Weg war indes mangels hinreichender Auslobung der Pflegemittel versperrt.

Diätetische Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel: Abgrenzung, Möglichkeiten und Grenzen

Unternehmen der Lebensmittelbranche, die Produkte mit besonderer Zweckbestimmung an den Markt bringen wollen, die nicht zu den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs gehören, stehen vor der Entscheidung, in welche Lebensmittelkategorie ihr Produkt eingestuft werden soll. Von dieser Entscheidung hängt ab, wie das Erzeugnis zu kennzeichnen ist und wie es beworben werden darf. Häufig kommen sowohl Nahrungsergänzungsmittel als auch diätetische Lebensmittel in Betracht. Beide Kategorien haben unterschiedliche Anforderungen und Möglichkeiten der Kennzeichnung und Bewerbung. Die Kenntnis der wesentlichen Abgrenzungskriterien, Möglichkeiten und Grenzen sind für die unternehmerische Entscheidung, welcher Produktkategorie er sich zuwendet,  von erheblicher Bedeutung.

I. Gesetzliche Vorgaben für diätetische Lebensmittel

1. EU-Recht

Die europäischen Vorgaben für diätetische Lebensmittel finden sich in der Richtlinie 89/398/EWG des Rates vom 03.05.1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Diese Richtlinie ersetzt die ursprünglich zur Regelung dieser Materie erlassene Richtlinie 77/94/EWG, die zwischenzeitlich mehrfach geändert worden war. Die europäische Regelung dient der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen der Mitgliedstaaten und dem Schutz der Verbraucher vor Täuschungen und Fehlkennzeichnungen. Ergänzend zu den Spezialvorschriften der Richtlinie sind diejenigen der EG-Basisverordung[1] sowie der Healthclaims-Verordnung[2] hinzuzuziehen.

a) Definition

Die Richtlinie bezieht sich auf Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind (Art. 1 Abs. 1). Das sind Lebensmittel, die sich aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden, die sich für den angegebenen Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind. Des Weiteren beschränkt die Regelung den Anwendungsbereich auf bestimmte Verbrauchergruppen. Eine besondere Ernährung muss danach den besonderen Ernährungserfordernissen folgender Verbrauchergruppen entsprechen:

– bestimmter Gruppen von Personen, deren Verdauungs – bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist, oder

– bestimmter Gruppen von Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können, oder

– gesunder Säuglinge oder Kleinkinder.

b) Kennzeichnung und Werbung

aa) Allgemeine Erfordernisse an die Kennzeichnung und Werbung

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG sieht vor, dass nur diejenigen diätetischen Lebensmittel der ersten beiden oben aufgezählten Verbrauchergruppen (s. o. I. 1. a) mit dem Wort „diätetisch“ gekennzeichnet werden dürfen. Die Gruppe der gesunden Säuglinge und Kleinkinder ist davon ausgenommen. Das bedeutet, dass sich die Bezeichnung „diätetisch“ nur noch auf Personengruppen beziehen darf, deren Verdauungs- bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist oder die sich aufgrund besonderer physiologischer Umstände die kontrollierte Aufnahme in der Nahrung erhaltener Stoffe nutzbar machen können. Ein Hinweis auf die Eignung des Produktes für den angegebenen Ernährungszweck ist schon per definitionem vorgeschrieben (Art. 1 Abs. 2 lit. a). Gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG dürfen die Kennzeichnung des diätetischen Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, die Aufmachung und die Werbung diesem Erzeugnis keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder auf diese Eigenschaften hinweisen. Zur Verkehrsbezeichnung muss auch die Angabe der besonderen nutritiven Eigenschaften des Produkts gehören; bei Produkten zur Ernährung von gesunden Säuglingen und Kleinkindern durch die Angabe des Zwecks, für den sie bestimmt sind. Im Übrigen gelten die allgemeinen Anforderungen der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (Etikettierungsrichtlinie).

bb) Besondere Erfordernisse an die Kennzeichnung

Bei der Prüfung der besonderen Kennzeichnungserfordernisse ist zu unterscheiden zwischen Erzeugnissen, deren Kennzeichnung von den Vorschriften der Richtlinie 89/398/EWG erfasst wird und solchen, für die Sondervorschriften in Form sog. Einzelrichtlinien gelten. Letztere sind (Anhang 1 der Richtlinie 89/398/EWG):

–    Säuglingsfertignahrung,

–    Folgemilch und andere Folgelebensmittel,

–    Sonstige Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder,

–    Lebensmittel mit niedrigem oder reduziertem Brennwert zur Gewichtsüberwachung,

–    Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten),

–    Natriumarme Lebensmittel einschließlich Diätsalze, die einen niedrigen Natriumgehalt aufweisen oder natriumfrei sind,

–    Glutenfreie Lebensmittel,

–    Lebensmittel für intensive Muskelanstrengungen, vor allem für Sportler,

–    Lebensmittel für Personen, die unter einer Störung des Glucosestoffwechsels leiden (Diabetiker).

Für diese Produkte ergibt sich das Nähere aus Spezialregelungen. Den Rahmen für die Ausgestaltung dieser Einzelrichtlinien bildet Art. 4 Abs.1 RL 398/EWG (neben der Kennzeichnung und Werbung z. B. Zusammensetzung, Qualität der Ausgangsstoffe, Hygiene).

Für die Produkte, die keinen Einzelrichtlinien unterliegen gilt hinsichtlich der besonderen Kennzeichnungserfordernisse folgendes (Art. 7 Abs. 3 RL 89/398/EWG):

Die Kennzeichnung muss umfassen:

–    die Besonderheiten der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung oder den besonderen Herstellungsprozess, durch die das Erzeugnis seine besonderen nutritiven Eigenschaften erhält,

–    den in kJ und kcal ausgedrückten physiologischen Brennwert sowie den Gehalt an Kohlehydraten, Eiweißstoffen und Fetten auf je 100 g oder 100 ml des in den Handel gebrachten Erzeugnisses und gegebenenfalls auf die für den Verzehr vorgeschlagene Menge bezogen, sofern das Erzeugnis in dieser Weise angeboten wird . Beträgt dieser Brennwert jedoch weniger als 50 kJ (12 kcal) in 100 g oder 100 ml des in den Handel gebrachten Erzeugnisses, so können die Angaben durch den Hinweis „Brennwert unter 50 kJ (12 kcal) in 100 g“ oder “ Brennwert unter 50 kJ (12 kcal) in 100 ml“ ersetzt werden.

c) Sonderregelungen für Bilanzierte Diäten (diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke)

Einen Spezialfall der diätetischen Lebensmittel bilden die sog. Bilanzieren Diäten. Hierbei handelt es sich um diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nach der gleichnamigen Richtlinie 1999/21/EG der Kommission vom 25.03.1999. Diese Richtlinie baut auf der vorstehend erläuterten Richtlinie 89/398/EWG auf. Bei der Einstufung ist also zunächst zu prüfen, ob es sich bei dem Produkt um ein diätetisches Lebensmittel im Allgemeinen handelt, bevor man zur Einstufung als bilanzierte Diät im Besonderen übergeht.

aa) Definition

Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke bezeichnet eine Kategorie von Lebensmitteln für eine besondere Ernährung, die

–  auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert,

–  für die diätetische Behandlung von Patienten gedacht und

–  unter ärztlicher Aufsicht

zu verwenden sind. Ihr Zweck ist die ausschließliche oder teilweise Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder ihrer Metaboliten oder von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden nicht ausreichen (Art. 1 Abs. 2 lit. b RL 1999/21/EG). Zur „besonderen Formulierung“ enthält die Richtlinie folgende Vorgaben: Die Formulierung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke muss auf vernünftigen medizinischen und diätetischen Grundsätzen beruhen. Die Produkte müssen sich gemäß den Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und wirksam sein in dem Sinne, dass sie den besonderen Ernährungserfordernissen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen, was durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist (Art. 3 RL 1999/21/EG). Zudem müssen die Produkte den im Anhang der Richtlinie dargelegten Kriterien für die Zusammensetzung genügen (Vitamin- und Mineralstofftabellen, Spurenelemente). „Diätetische Behandlung“ meint eine besondere Nährstoffversorgung im Sinne einer Aufrechterhaltung der Körperfunktionen bestimmter Personengruppen. Vordergründig geht es also um eine optimale Nährstoffversorgung, nicht um einen therapeutischen Behandlungserfolg.

Gemäß Art. 1 Abs. 3 RL 1999/21/EG werden diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in folgende drei Kategorien unterteilt:

–    diätetisch vollständige Lebensmittel mit einer Nährstoff-Standardformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen können,

–    diätetisch vollständige Lebensmittel mit einer für eine bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifischen angepassten Nährstoffformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen können,

–    diätetisch unvollständige Lebensmittel mit einer Standardformulierung oder einer für eine bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifischen angepassten Nährstoffformulierung, die sich nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle eignen.

Die Regelung gibt damit zwei Kategorien bedarfsdeckender bilanzierter Diäten und eine Kategorie ergänzender bilanzierter Diäten vor.

bb)    Kennzeichnung und Werbung

Bilanzierte Diäten unterliegen zunächst den allgemeinen Vorschriften der Etikettierungsrichtlinie (RL 2000/13/EG) und der Richtlinie 89/398/EWG. Insoweit wird auf die Ausführungen oben (I. 1. b aa) verwiesen. Die Richtlinie 1999/21/EG ist eine Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 89/398/EWG, in der Anforderungen an die Zusammensetzung und Kennzeichnung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke festgelegt sind (Art. 1 Abs. 1 RL 1999/21/EG). Nach Art. 4 der Richtlinie 1999/21/EG ist die deutsche Verkehrsbezeichnung für bilanzierte Diäten „Diätetisches/Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diäten)“.

Die Angabe der Nährwerte richtet sich nach Artt. 3, 4 Abs. 2 der Richtlinie 1999/21/EG: Angaben zu:

–    verfügbarer Brennwert in kJ und kcal sowie den Gehalt an Proteinen, Kohlehydraten und Fetten,

–    durchschnittliche Menge sämtlicher in dem Erzeugnis enthaltener und im Anhang der Richtlinie aufgeführten Mineralstoffe und Vitamine,

–    den Gehalt an Bestandteilen von Proteinen, Kohlehydraten und Fetten und/oder an sonstigen Nährstoffen und deren Bestandteilen, sofern diese Information zur zweckentsprechenden Verwendung des Erzeugnisses erforderlich ist,

–    gegebenenfalls zur Osmolalität oder Osmolarität des Erzeugnisses

–    Ursprung und Art der in dem Erzeugnis enthaltenen Proteine und/oder Proteinhydrolysate.

Zudem ist gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 1999/21/EG ein „wichtiger Hinweis“ (oder gleichbedeutende Formulierung) anzubringen zu folgenden Punkten

–    Hinweis, dass das Erzeugnis unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden muss,

–    Hinweis, ob das Erzeugnis zur Verwendung als einzige Nahrungsquelle geeignet ist,

–    ggf. Hinweis, dass das Erzeugnis für eine bestimmte Altersgruppe bestimmt ist,

–    ggf. Hinweis, dass das Erzeugnis die Gesundheit gefährden kann, wenn es von Personen konsumiert wird, die nicht an der/den Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden leiden, für die das Erzeugnis bestimmt ist,

des Weiteren allgemeine Hinweise (Abs. 4):

–    den Hinweis „Zur diätetischen Behandlung von …“, ergänzt durch die Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden, für die das Erzeugnis bestimmt ist,

–    ggf. einen Hinweis auf Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen,

–    eine Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale, denen das Erzeugnis seine Zweckdienlichkeit verdankt, gegebenenfalls mit Angaben zu Nährstoffen, die vermehrt, vermindert, eliminiert oder auf andere Weise verändert wurden, sowie die Begründung für die Verwendung des Erzeugnisses,

–    ggf. eine Warnung, dass das Erzeugnis nicht parenteral verwendet werden darf,

–    ggf. Anweisungen für die sachgerechte Zubereitung, Verwendung und Lagerung des Erzeugnisses nach Öffnung des Behälters (Abs. 5).

Mangels besonderer Vorschriften für die Werbung finden die allgemeinen Regelungen der Richtlinie 89/398/EWG und der Etikettierungsrichtlinie Anwendung. Insbesondere gilt insoweit – vorbehaltlich der gesetzlich zulässigen bzw. vorgeschriebenen Angaben – Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG, wonach die Kennzeichnung des diätetischen Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, die Aufmachung und die Werbung diesem Erzeugnis keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder auf diese Eigenschaften hinweisen dürfen.

1. Deutsches Recht

Die EU-Vorgaben wurden durch die Diätverordnung (DiätV) in deutsches Recht transformiert. Die Diätverordnung gilt – neben den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften (LFGB u. a.) – für Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Sie vereint den Reglungsgehalt der beiden oben erörterten Richtlinien (RL 89/398/EWG, RL 1999/21/EG), regelt also sowohl diätetische Lebensmittel wie auch bilanzierte Diäten.

a) Definitionen

Inhaltliche Abweichungen vom EU-Recht sind nicht (mehr) vorhanden, wenn auch der Wortlaut nicht deckungsgleich ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Ausführungen oben verwiesen werden.

b) Kennzeichnung und Werbung

Die Kennzeichnung und Werbung betreffend, entspricht die deutsche Umsetzung nicht gänzlich den EU-Vorgaben. Dies gilt zunächst für die Verwendung des Begriffs „diätetisch“. Während er nach dem EU-Recht bei Produkten für gesunde Säuglinge und Kleinkinder nicht zulässig ist, findet sich in der Diätverordnung (insb. §§ 2, 22 ff.) keine entsprechende Regelung. Nach der deutschen Regelung ist der Begriff „diätetisch“ nur bei (sämtlichen) diätetischen Lebensmitteln zulässig, also nicht bei Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs. Das schließt diätetische Lebensmittel für gesunde Säuglinge und Kleinkinder ein.

Krankheitsbezogene Angaben sind weitgehend unzulässig. Schaut man sich § 12 Abs.2 S. 2 LFGB an, der das lebensmittelrechtliche Verbot der krankheitsbezogenen Werbung auf diätetische Lebensmittel für unanwendbar erklärt, könnte man meinen, hier wären der Werbung Tür und Tor geöffnet. Die Diätverordnung negiert diese Ausnahme im LFGB jedoch durch § 3 DiätV, der einen abschließenden Katalog zulässiger Werbeaussagen vorsieht, nämlich:

–    Bei Lebensmitteln, die zur Behandlung von Störungen der Darmmotilität und der Darmflora sowie deren Folgeerscheinungen bei Säuglingen geeignet sind, die Aussage „Diätetisches Lebensmittel geeignet zur Behandlung der Säuglingsdyspepsie (Durchfallerkrankung beim Säugling) nur im Rahmen der ärztlichen Verordnung“; sofern sie zur Heilung geeignet sind, können sie zusätzlich als Heilnahrung bezeichnet werden,

–    Lebensmitteln zur Behandlung von Leberzell- oder Niereninsuffizienz, die im Eiweiß-, Aminosäure- und Elektrolytgehalt entsprechend angepasst sind, und Lebensmitteln, die zur Behandlung von angeborenen Stoffwechselstörungen geeignet sind, die Aussage „Diätetisches Lebensmittel geeignet zur Behandlung von …, nur unter ständiger ärztlicher Kontrolle verwenden“,

–    Lebensmitteln, die zur besonderen Ernährung bei

  • Maldigestion oder Malabsorption,
  • Störungen der Nahrungsaufnahme,
  • Diabetes mellitus,
  • chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder prä- oder postoperativer Behandlung bei Operationen des Darmes,
  • chronischer Pankreatitis oder
  • Gicht

geeignet sind, die Aussage „zur besonderen Ernährung bei … im Rahmen eines Diätplanes“; bei diätetischen Lebensmitteln für Diabetiker kann auf diese Personengruppe in Verbindung mit der Bezeichnung zusätzlich hingewiesen werden.

Diese Kennzeichnungsvorschriften sind zwingend, sie müssen vom Hersteller exakt in dieser Form umgesetzt werden.

Weitere besondere Kennzeichnungsregelungen enthalten die §§ 15 ff. DiätV, auf die hier verwiesen werden soll. Für bilanzierte Diäten wird insbesondere auf die Vorschrift des § 21 DiätV hingewiesen. Gemäß § 21 Abs. 1 DiätV ist „Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät)“ Verkehrsbezeichnung im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Auch im Übrigen entspricht die Vorschrift den Vorgaben der oben erläuterten Richtlinien, auf die hier Bezug genommen wird.[3]

II. Gesetzliche Vorgaben für Nahrungsergänzungsmittel

1.  EU-Recht

Die europäischen Vorgaben für Nahrungsergänzungsmittel finden sich in der Richtlinie 2002/46/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel. Die europäische Regelung soll homogene Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen der Mitgliedstaaten schaffen und definiert einheitliche Regeln für die Kennzeichnung und Bewerbung der Produkte. Ergänzend zu den Spezialvorschriften der Richtlinie sind diejenigen der EG-Basisverordung[4] sowie der Healthclaims-Verordnung[5] hinzuzuziehen.

a) Definitionen

Gemäß Art. 2 lit. a der Richtlinie 2002/46/EG sind „Nahrungsergänzungsmittel“ Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d. h. in Form von z. B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen.

Nährstoffe sind Vitamine und Mineralstoffe (Art. 2 lit. b). Soweit Vitamine und Mineralstoffe verwendet werden, dürfen nur die in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Nährstoffe in den in Anhang II aufgeführten Formen für die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden (Art. 4 Abs. 1).[6]

b) Kennzeichnung und Werbung

aa) Positive Kennzeichnungselemente

Gemäß Art. 6 ist die Verkehrsbezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel“. Wesentliche Kennzeichnungselemente sind folgende:

–    die Namen der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind, oder eine Angabe zur Beschaffenheit dieser Nährstoffe oder sonstigen  Stoffe;

–    die empfohlene tägliche Verzehrsmenge in Portionen des Erzeugnisses;

–    einen Warnhinweis, die angegebene empfohlene Tagesdosis nicht zu überschreiten;

–    einen Hinweis darauf, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht als Ersatz für eine abwechslungsreiche Ernährung verwendet werden sollten,

–    einen Hinweis darauf, dass die Produkte außerhalb der Reichweite von kleinen Kindern zu lagern sind.

Die Menge der Nährstoffe oder sonstigen Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, ist gemäß Art. 8 in numerischer Form auf dem Etikett anzugeben. Für Vitamine und Mineralstoffe sind die in Anhang I angegebenen Einheiten zu verwenden. Dabei muss die Mengenangabe der Nährstoffe oder sonstigen Stoffe pro empfohlener Tagesdosis des Erzeugnisses, die auf dem Etikett angegeben ist, erfolgen. Zudem muss bei Vitaminen und Mineralstoffen ein prozentualer Bezug zu den Referenzwerten gemäß der Richtlinie 90/496/EWG (Nährwertkennzeichnungsrichtlinie)[7]. Die Wertangaben stellen Durchschnittswerte dar und müssen auf nachvollziehbaren Untersuchungen / Analysen des Herstellers beruhen (Art. 9 Abs. 1).

bb) Negative Kennzeichnungselemente

Die Kennzeichnung und Werbung dürfen Nahrungsergänzungsmitteln keine Eigenschaften zuschreiben bzw. auf solche hinweisen, die der Verhütung, Behandlung oder Heilung einer Humanerkrankung dienen (Art. 6 Abs. 2). Die Kennzeichnung und Werbung dürfen keinen Hinweis enthalten, mit dem behauptet oder suggeriert wird, dass bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung im Allgemeinen die Zufuhr angemessener Nährstoffmengen nicht möglich sei (Art. 7 Abs. 1).

2.   Deutsches Recht

Die Richtlinie 2002/46/EG wurde durch die Nahrungsergänzungsmittelverordung (NemV) ins deutsche Recht transformiert. Ergänzend sind insbesondere die Nährwertkennzeichnungsverordnung, die Loskennzeichnungsverordnung, die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, die Fertigpackungsverordung sowie das LFGB heranzuziehen. Aus diesen Vorschriften ergeben sich in Bezug auf die Kennzeichnung insbesondere die oben erwähnten Referenzwerte, auf die bei den Nährstoffangaben Bezug zu nehmen ist, das Erfordernis der Angabe der Losnummer (Chargenbezeichnung), Schriftgröße, Inhaltsangaben und des Zutatenverzeichnisses. Werbevorschriften finden sich im LFGB, das detaillierte Verbote insbesondere der irreführende Werbung (§ 11 LFGB) enthält.[8]

III. Zusammenfassung

Für beide Formen von Lebensmitteln – den diätetischen Lebensmitteln, wie den Nahrungsergänzungen – gelten Sondervorschriften, die durch die allgemeinen Reglungen ergänzt werden. Das Recht beider Erscheinungsformen ist harmonisiert und in nationalstattliches Recht transformiert. Soweit noch vereinzelt Abweichungen des nationalen Rechts vom EU-Recht auftreten, sind diese mittels EU-Rechts konformer Auslegung zu lösen. Der Anwendungsbereich des Rechts der Nahrungsergänzungsmittel ist weiter als derjenige der diätetischen Lebensmittel insoweit, als die Definition für diätetische Lebensmittel enger und spezieller ausfällt: Er trifft nicht nur einen besonderen Ernährungszweck, sondern auch nur ganz bestimmte Verbrauchergruppen, z. B. Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden (z. B. Bodybuilder). Der Begriff der Nahrungsergänzung ist hingegen nicht auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Ferner gibt es innerhalb der diätetischen Lebensmittel die Sonderform der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diäten), für die spezielle Vorschriften gelten. Der Zweck der bilanzierten Diäten liegt insbesondere in der Ernährung von Patienten mit Behinderungen bei der Nahrungsverwertung.

Bei der Überlegung, für welchen Produkttyp man sich bei der Einstufung seines Erzeugnisses entscheiden soll, steht die Festsetzung der Zielgruppe an erster Stelle. Man muss sich also fragen, ob man einen eingeschränkten Personenkreis bedienen möchte, wobei man anhand der oben aufgezeigten Produkttypen eine Dreiteilung vornehmen kann, welche in absteigender Reihenfolge die Eingrenzung der Zielgruppe veranschaulicht:

Gruppe 1: Nahrungsergänzungen – keine/wenig personenbezogene Einschränkung;

Gruppe 2: Diätetische Lebensmittel – mittlere personenbezogene Einschränkung;

Gruppe 3: Bilanzierte Diäten – starke personenbezogene Einschränkung.

Des Weiteren ist danach zu fragen, auf welche Weise die größte Verbraucherwahrnehmung erreicht werden kann. Je liberaler die Werbevorschriften, d. h. je konkreter der Hersteller für sein Produkt werben darf, desto besser greift sein Marketing. Nun unterliegen sämtliche Lebensmittel relativ strengen Werbevorschriften, welche detaillierte Irreführungsverbote und Verbote mit Krankheitsbezug festlegen. Dies ist durch die Healthclaims-Verordnung weiter verschärft worden, wenn deren Umsetzung auch in den nächsten Jahren erst schrittweise erfolgen wird. Umso wichtiger wird es, die unterschiedlichen Werbemöglichkeiten innerhalb der oben genannten Produktgruppen in die Überlegungen mit einzubeziehen. Das betrifft insbesondere den Krankheitsbezug. Eine Bezugnahme auf Krankheiten ist ausschließlich im Rahmen der Gruppe 3 (Bilanzierte Diäten) und nur gemäß den hierfür einschlägigen Vorschriften erlaubt. Bei den (einfachen) diätetischen Lebensmitteln ist wiederum eine besondere Hervorhebung der Ernährungsbedürfnisse bestimmter Personengruppen möglich. Nahrungsergänzungen treffen i. d. R. einen breiten Anwenderkreis.

Die Entscheidungsfindung für eine bestimmte Produktgruppe muss also in erster Linie zielgruppenorientiert erfolgen, wobei man die unterschiedlichen werblichen Möglichkeiten jeder Produktgruppe in die Überlegungen mit einbeziehen sollte. Von der Produktgruppe, für die man sich entscheidet, hängt wiederum ab, wie das Erzeugnis zu kennzeichnen ist.

Stand: 15.09.2007, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de



[1] VO (EG) 178/2002.

[2] VO (EG) 1924/2006, vgl. dazu https://www.anwaltskanzlei-grunert.de/pdf/Healthclaimsverordnung.pdf.

[3] Zu den übrigen Kennzeichnungsvorschriften in deutschen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften vgl. unten II. 2.

[4] VO (EG) 178/2002.

[5] VO (EG) 1924/2006, vgl. dazu https://www.anwaltskanzlei-grunert.de/pdf/Healthclaimsverordnung.pdf.

[6] Eine aktuelle Änderung des Anhangs II wurde vorgenommen durch die Richtlinie 2006/37/EG der Kommission vom 30. März 2006 zur Änderung von Anhang II der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zwecks Aufnahme bestimmter Stoffe. Für sog. „Alt-Nährstoffe“ gelten bis Ablauf 2009 Übergangsvorschriften (Art. 4 Abs. 6 RL 2002/46/EG).

[7] Geändert durch die Richtlinie 2003/120/EG der Kommission vom 5. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie 90/496/EWG über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln.

[8] Von einer detaillierteren Darstellung der Nebenvorschriften wird im Rahmen dieser Abhandlung abgesehen.

 

Abgrenzung Arzneimittel – NEM

Die Popularität von Nahrungsergänzungsmitteln und ihr steigender Konsum sind ungebrochen. Der Markt wird mit neuen Produkten regelrecht überflutet. Mineralstoffprodukte, Vitaminpräparate, Pilzextrakte und andere Pflanzenkompositionen erfreuen sich bei den Verbrauchern zunehmender Beliebtheit. Umso wichtiger ist es für Hersteller und Händler, dass ihre Produkte den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Mit dem Auslaufen der Übergangsfristen nach der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV) zum 30.11.2005 für den Vertrieb von sog. Altprodukten sind nur noch Produkte zulässig, die den neuen Vorgaben an Herstellung und Kennzeichnung entsprechen. Zudem muss es sich bei den Produkten auch tatsächlich um Nahrungsergänzungsmittel handeln. Eine Prüfung ist unumgänglich, da es schwerwiegende Folgen haben kann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es sich bei dem Produkt in Wahrheit um ein Arzneimittel handelt. Die Grenzen sind z. T. fließend, sodass sich die Gerichte immer wieder mit Abgrenzungsfragen beschäftigen. Im Folgenden soll daher ein Überblick über die wichtigsten Definitionen und Abgrenzungskriterien gegeben werden.

I. Was sind Nahrungsergänzungsmittel?

Nahrungsergänzungsmittel sind den Lebensmitteln zuzuordnen. Für sie gelten jedoch besondere Vorschriften in Form der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV), die in Umsetzung der Europäischen Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie (RL 2002/46/EG) entstanden ist. 

Gemäß § 1 Abs. 1 NemV ist ein 

“(1) Nahrungsergänzungsmittel … ein Lebensmittel, das

1. dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,

2. Ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammenhang darstellt und

3. In dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird.”

Nahrungsergänzungsmittel können demnach als besondere Form von Lebensmitteln eingestuft werden, für die spezielle Vorschriften zu beachten sind. Ab dem 01.12.2005 dürfen nur noch Produkte hergestellt und in den Verkehr gebracht werden, die den Vorschriften der NemV entsprechen, insbesondere sind nur noch die in den Anlagen 1 und 2 NemV aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe zulässig (soweit es sich um Produkte handelt, die Vitamine und Mineralstoffe enthalten). Zudem sind die besonderen Kennzeichnungsvorschriften und die Regelungen zur Produktbewerbung zu beachten.

Dem Erzeugnis muss ein Ernährungszweck anhaften, d. h. es muss geeignet sein, die stofflichen Bedürfnisse des Körpers ergänzend zu befriedigen. Dies wird nicht nur durch Vitamine und Mineralstoffe einschließlich Spurenelemente (= Nährstoffe gemäß § 1 Abs. 2 NemV) gewährleistet, sondern auch durch “sonstige Stoffe” mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung. Das betrifft Stoffe wie Johannisbrotkernmehl, Guarkenmehl, z. T. auch Pilzextrakte. 

II. Besonderheiten von Nahrungsergänzungsmitteln gegenüber einfachen Lebensmitteln

Die Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel stellt besondere Anforderungen an Herstellung, Verpackung, Kennzeichnung und Inverkehrbringen von Nahrungsergänzungsmitteln. Gemäß § 2 NemV dürfen diese Produkte, soweit sie zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt sind, gewerbsmäßig nur in einer Fertigpackung in den Verkehr gebracht werden. Diese Fertigpackung unterliegt besonderen Kennzeichnungsvorschriften, die sich aus der NemV, der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, der Loskennzeichnungsverordnung sowie den allgemeinen lebensmittrechtlichen Vorschriften (LFGB = Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, bei Redaktionsschluss noch LMBG = Lebenmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) ergeben. Ab dem 01.12.2005 müssen Produkte explizit als “Nahrungsergänzungsmittel” bezeichnet werden (§ 4 Abs. 1 NemV). Zudem müssen neben der nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung erforderlichen Kennzeichnung u. a. die

– Namen der Kategorien von Nährstoffen,

– empfohlene tägliche Verzehrsmenge sowie

– bestimmte Warnhinweise

angegeben werden (§ 4 Abs. 2 NemV). Des Weiteren darf ein Nahrungsergänzungsmittel gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn die Mengenangaben der enthaltenen Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung Bezug nehmen auf die auf dem Etikett angegebene empfohlene tägliche Verzehrsmenge dieses Produkts (§ 4 Abs. 3 NemV). Dies geschieht i. d. R. der Übersichtlichkeit halber in tabellarischer Form. Bei der Aufmachung der Produkte ist darauf zu achten, dass nicht der Eindruck entsteht, eine Zufuhr angemessener Nährstoffmengen sei bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung (also ohne Nahrungsergänzungen) nicht möglich (§ 4 Abs. 4 NemV).

Hersteller und Importeure von Nahrungsergänzungsmitteln müssen spätestens bei Einführung auf dem deutschen Markt (= erstes Inverkehrbringen) dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Anzeige hierüber erstatten (§ 5 NemV). Ein entsprechendes Formular ist beim Amt erhältlich. Dem Formular ist zur Illustration ein Muster des für das Erzeugnis verwendeten Etiketts beizufügen.

Im Falle der Missachtung der Vorschriften der NemV drohen z. T. straf- und ordnungsrechtliche Sanktionen. So ist etwa die Verwendung eines nicht in den Anlagen 1 und/oder 2 NemV aufgeführten Nährstoffs nach § 6 Abs. 1 NemV strafbewehrt. Gleiches gilt für den Fall, dass der Warnhinweis “Die angegebene tägliche Verzehrsmenge darf nicht überschritten werden” fehlt. Zudem drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen durch die Konkurrenz. 

III. Abgrenzung

Bei der Herstellung und vor der verkaufsfähigen Gestaltung stellt sich zunächst die Frage, wie das Produkt einzustufen ist. Hier werden Abgrenzungsfragen insbesondere zu Arzneimitteln und Kosmetikprodukten relevant. 

Abgrenzung Lebensmittel (insbesondere Nahrungsergänzungsmittel) – Arzneimittel

Die Abgrenzung zu Arzneimitteln ist anhand der EG-Basisverordnung (VO 178/2002/EG), der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie (RL 2002/46/EG), der geänderten Richtlinie 2001/83/EG (Arzneimittelkodex, geändert durch RL 2004/27/EG), den die europäischen Vorgaben umsetzenden nationalen Vorschriften sowie anhand der Rechtsprechung auf Europäischer und nationaler Ebene vorzunehmen.

Lebensmittel dienen bestimmungsgemäß der Ernährung. Arzneimittel sind dagegen gemäß Art. 1 Nr. 2 lit. a der geänderten Richtlinie 2001/83/EG 

“Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die am oder im menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (Art. 1 Nr. 2 lit. b der geänderten Richtlinie 2001/83/EG).” 

Diese Arzneimitteldefinition, die zur Konkretisierung der Europäischen Vorgaben und zur Verbesserung der Abgrenzungskriterien zur Abänderung der ursprünglichen Arzneimitteldefinition im Arzneimittelkodex führte, enthält eine Zweiteilung. Sie orientiert sich zunächst an der Zweckbestimmung des Erzeugnisses, d. h. an der Widmung, die der Hersteller dem Produkt verliehen hat als “zur Heilung und Verhütung menschlicher Krankheiten” bestimmt. Hierbei spielt die Produktgestaltung und -kennzeichnung eine erhebliche Rolle. Es kann daher vorkommen, das ein Produkt – ohne dass es nach seiner Wirkungsweise/Funktion um ein Arzneimittel handelt – als Arzneimittel einzustufen wäre, wenn dies aufgrund seiner Widmung nach der Verkehrsauffassung geboten erscheint (sog. Präsentationsarzneimittel). Diese Orientierung an der Zweckbestimmung geht einher mit der Rechtsprechung des BGH. Danach ist für die Einordnung eines Produkts als Arznei- oder Lebensmittel 

“seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung entscheidend, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durch-schnittsverbraucher darstellt” (BGH, Urt. v. 22.07.2004, Az.: I ZR 288/01 – Johanniskraut).

Die zweite Definition nach der Richtlinie stellt auf die Wirkungsweise des Erzeugnisses ab, indem verschiedene Wirkungen (pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung) aufgezählt werden. Laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist im Rahmen der Prüfung, ob die zweite Definition einschlägig ist, auch eine etwa bestehende Gesundheitsgefahr zu berücksichtigen (EuGH, Urt. vom 09.06.2005, Az.: C-211/03 und weitere). Ein Erzeugnis ist als Arzneimittel einzustufen, wenn es unter eine dieser Definitionen fällt (vgl. im Übrigen die Def. in § 2 Abs. 1 AMG; es bleibt abzuwarten, inwieweit der Arzneimittelbegriff des AMG bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist der RL 2004/27/EG am 30.10.2005 angepasst wird).

Bei der Abgrenzung der Nahrungsergänzungen von den Arzneimitteln treten insoweit Probleme auf, als die Grenzen zwischen beiden Bereichen z. T. fließend sind. Oft ist ein Produkt durch Merkmale beider Bereiche gekennzeichnet. Für diesen Fall nimmt das geltende Recht mittlerweile eine klare Festlegung für die grundsätzliche Abgrenzung vor. Aus Art. 2 Abs. 3 lit. d EG-Basisverordnung und Art. 1 Abs. 2 Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie ergibt sich, dass Arzneimittel nicht zu den Lebensmitteln gehören. Art. 2 Abs. 2 der geänderten Richtlinie 2001/83/EG sieht vor:

“In Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von “Arzneimittel” als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, gilt diese Richtlinie”.

Das bedeutet, es ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein Arzneimittel vorliegt. Allerdings handelt es sich hier um einen Auffangtatbestand, der erst greift, wenn ein Erzeugnis nach umfassender Prüfung nicht eindeutig unter die Definition anderer Produktgruppen, insbesondere von Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Mitteln der Medizintechnik, Bioziden oder kosmetischen Mitteln, fällt (vgl. Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 2004/27/EG). Wichtig ist in diesem Zusammenhang die schon im Gesetz vorgesehene Gesamtschau – also die Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses. Der EuGH hat in einer seiner Entscheidung vom 09.06.2005 (Az.: C-211/03 und weitere) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass “…die Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel oder Lebensmittel … unter Berücksichtigung aller Merkmale vorgenommen werden [muss]”.

Bei der rechtlichen Überprüfung des Produktes wird von den Behörden und Gerichten meist zunächst geprüft, ob bereits eine Verkehrsauffassung festgestellt werden kann. Diese bildet den Ausgangspunkt für die weitere Prüfung, welche sich an den Kriterien der “Zweckbestimmung”, der “Eignung” und der “Darreichungsform” orientiert. Verallgemeinerungen sollte man jedoch nicht anstellen, das jede Abgrenzung im konkreten Einzelfall vorzunehmen ist. Der Europäische Gerichtshof führt hierzu in seiner Entscheidung vom 09.06.2005 (Az.: C-211/03 und weitere) aus:

“Um zu entscheiden, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist, hat die zuständige nationale Behörde von Fall zu Fall zu entscheiden und dabei alle seine Merkmale, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen –, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen.”

IV. Fallbeispiele

Glucoseaminsulfat ist nach einem Urteil des OLG Köln vom 26.05.2004 (Az.: 6 U 136/02) als Lebensmittel einzustufen. Das Nahrungsergänzungsmittel, das diesen Wirkstoff (Knorpelinhaltsstoff zur Anwendung bei Gelenkbeschwerden) enthielt, konnte weiterhin vertrieben werden.

Schlankheitsmittel können nach einer Entscheidung des OLG Schleswig vom 26.01.1999 (Az.: 6 U 71/98) als Lebensmittel einzustufen sein, wenn sie neben Füll- und Quellstoffen Nährstoffe (lebenswichtige Vitamine und Spurenelemente) enthalten.

Vitaminprodukte werden i. d. R. in Abhängigkeit von ihrer Konzentration beurteilt. Hochdosierte Vitamin-E-Produkte z. B. werden wegen der von Überdosierungen ausgehenden Gesundheitsgefahren als Arzneimittel eingestuft (OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2004, Az.: 4 U 129/04). 

Extrakte aus chinesischen Heilpilzen sind nach einer Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 08.07.2004 (Az.: 11 ME 12/04) als Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) einzustufen.

Bei Heilkräutern der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hat das OVG Niedersachsen ähnlich entschieden und diese als Pflanzenteile eingestuft (Urt. v. 24.10.2002, Az.: 11 LC 207/02). Die Beurteilung dieser Produktgruppe bleibt jedoch innerhalb Deutschlands umstritten.

Die Arzneimittelüberwachung des Landes Bayern z. B. ist der Auffassung, bei TCM-Kräutern handele es sich um Arzneimittel. Argumentiert wird seitens der Behörden u. a. mit der Gefahr für den Verbraucher, wobei man auf schwere Vergiftungsfälle durch Verwechslungen mit hochgiftigen Pflanzen verweist. Diese restriktive Ansicht dürfte nun durch das oben zitierte EuGH-Urteil Unterstützung finden, soweit das Gericht die Gesundheitsgefahr für den Verbraucher als “eigenständigen Faktor” bezeichnet, den die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen der Einstufung des Erzeugnisses als Funktionsarzneimittel ebenfalls zu berücksichtigen haben.

Bei Sportlernahrung ist eine differenzierte Beurteilung vorzunehmen, die sich stark am Einzelfall orientiert. Die Einstufung als Nahrungsergänzungsmittel erscheint grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Jedoch ist – je nach konkretem Produkt, Inhaltsstoff, Dosierung und Produktaufmachung – auch die Einstufung als Arzneimittel oder auch als diätetisches Lebensmittel möglich. 

Handelt es sich bei einem Produkt um Dopingmittel (u. a. Steroide und Anabolika), liegt ein Arzneimittel vor (so OLG Hamburg, Urt. v. 26.05.2005, Az.: 3 U 73/02).

Muskelaufbaupräparate dagegen, die keine Dopingmittel darstellen, sind nicht ohne Weiteres als Arzneimittel einzustufen, auch wenn sie die Fähigkeit fördern sollen, Höchstleistungen erst zu erreichen. In seinem Urteil vom 06.05.2004 (Az.: I ZR 275/01 – Sportlernahrung II) hatte sich der BGH mit Muskelaufbauprodukten zu befassen, die Kreatin und Carnitin enthielten. Im Gegensatz zur Vorinstanz kam der BGH zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um Arzneimittel handelte. Das Gericht führte aus, Muskelaufbaupräparate dienten besonderen physiologischen Bedürfnissen und sich daraus ergebenden Ernährungserfordernissen einer speziellen Personengruppe (u. a. Hochleistungssportler). Demzufolge seien die Produkte als diätetische Lebensmittel im Sinne der Diätverordnung einzustufen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 lit b DiätV). Hier ist allerdings zu beachten, dass eine hohe Dosierung, die metabolische Wirkungen entfaltet, wiederum dazu führen kann, dass das Erzeugnis als Arzneimittel einzustufen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Az.: I-20 U 79/01). Das trifft auch zu, wenn die Dosierung des Mittels den ernährungsphysiologisch erforderlichen und möglichen Bedarf um ein Vielfaches übersteigt (BGH, Az.: I ZR 275/01 – Sportlernahrung II). 

Fischölpräparate sind nach einer Entscheidung des OLG Hamburg vom 27.01.2005 (Az.: 3 U 28/03) als Lebensmittel (in Form eines Diätetischen Lebensmittels im Sinne der DiätV) einzustufen. Das streitgegenständliche Produkt war als “Diätetisches Lebensmittel” und als geeignet “zur diätetischen Behandlung von entzündlich-rheumatischen Beschwerden” beschrieben worden. Das Gericht führte aus, die Omega-3-Fettsäure EPA stelle einen Nährstoff dar, der in der besonderen physiologischen Situation von Rheuma-Patienten erforderlich sei. Zudem reiche eine Modifizierung der Ernährung, die Verwendung anderer Lebensmittel oder die Kombination aus beidem bei diesen Patienten nicht aus, um deren Bedarf sicherzustellen, womit der Subsidiaritätsklausel gemäß § 1 Abs. 4a S. 2 DiätV genüge getan sei. 

Knoblauchpräparate wurden von der deutschen Rechtsprechung im Gegensatz zu den Gepflogenheiten vieler anderer EU-Mitgliedstaaten durchgehend als Arzneimittel eingestuft (vgl. nur BGH WRP 1995, 386 – Knoblauchkapseln). Der Verbraucher nehme Knoblauch aufgrund der allgemeinen Bekanntheit der medizinischen Wirkungen des darin enthaltenen Wirkstoffs als der Arterienverkalkung vorbeugendes Arzneimittel ein. Das Präparat könne nicht zu Ernährungszwecken verwendet werden, weil es keine Nährstoffe in nennenwertem Umfang enthalte (BGH a. a. O.). Diese Argumentation des BGH widerspricht der oben aufgezeigten Definition für Nahrungsergänzungsmittel (die Entscheidung datiert aus einer Zeit vor der Richtlinien- und Verordnungsgebung). Insbesondere sind nicht nur Erzeugnisse zulässig, die Nährstoffe enthalten, sondern auch “sonstige Stoffe” mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung. Diese Entscheidung kann daher nicht mehr als repräsentativ herangezogen werden. Hier bleibt abzuwarten, ob die deutsche Judikatur diese Haltung überdenken wird. Die EU-Kommission hat jedenfalls nach einer Pressemitteilung vom 18.03.2005 beschlossen, Deutschland wegen der konsequenten Einstufung von Knoblauchpräparaten als Arzneimittel vor dem EuGH zu verklagen. Sie sieht hierin einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 EG.

Stand: 15.09.2005, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de