Archiv für den Monat: März 2013

BGH: Gesundheitsbezogene Angabe i. S. v. Art. 2 II Nr. 5 HCV vs. „Allgemeines Wohlbefinden“

Der BGH hat sein Vorabentscheidungsersuchen in Sachen Gurktaler Kräuterlikör (I ZR 22/09) beim EuGH zurückgenommen. Somit wird nach dem EuGH-Beschluss zur Streichung der Rechtssache aus dem Register vom 06.11.2012 keine ausdrückliche Entscheidung über die vom BGH gestellte Frage ergehen, ob der Begriff der Gesundheit in der Definition der „gesundheitsbezogenen Angabe“ nach der Healthclaimsverordnung auch das allgemeine Wohlbefinden erfasse.

Anmerkung: Der BGH hat sein Ersuchen im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH in Sachen „Deutsches Weintor“ (C-544/10) zurückgenommen. Darin hatte sich der Weinvermarkter auf den Wohlbefindensbegriff gestützt; allerdings hatte er diesen Ausdruck in seiner Werbung nicht wörtlich verwendet, sondern seinen Wein unter Hinweis auf einen reduzierten Säuregehalt als „bekömmlich“ bezeichnet. Der EuGH definiert den Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ ausgehend von dem Zusammenhang, der zwischen einem Lebensmittel und der Gesundheit bestehen muss. Dabei sei der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen. Die vorliegende Werbung sei geeignet, eine nachhaltige positive physiologische Wirkung zu suggerieren, die in der Erhaltung des Verdauungssystems in gutem Zustand besteht, während für andere Weine unterstellt werde, dass sie bei häufigem Verzehr nachhaltige negative Auswirkungen auf das Verdauungssystem und folglich auf die Gesundheit haben. Demnach liegt nach Auffassung des EuGH auch in Aussagen wie der hier getroffenen, die mit Signalworten wie „bekömmlich“ und „reduziertem Säuregehalt“ durchaus Elemente des Wohlbefindens enthält, eine „gesundheitsbezogene Angabe“. Werbende müssen sich somit an den Grundsätzen der Entscheidung Deutsches Weintor (siehe hierzu gesonderten Beitrag) orientieren und damit rechnen, dass bei Angaben, die auf das allgemeine Wohlbefinden hindeuten, im Zweifel gleichwohl eine gesundheitsbezogene Angabe gegeben sein kann, wenn ein „Gesundheitszusammenhang“ festzustellen ist, wie er vom EuGH in seiner Entscheidung C-544/10 entwickelt wurde.

EuGH, Urt. v. 06.09.2012, C-544-10 – Deutsches Weintor

Die Bezeichnung von Wein als „bekömmlich“ ist eine gesundheitsbezogene Angabe gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Healthclaimsverordnung, wenn die Bezeichnung verbunden wird mit dem Hinweis auf einen reduzierten Gehalt an Stoffen, die von einer Vielzahl von Verbrauchern als nachteilig angesehen werden.

Anmerkung: Der EuGH ist der Ansicht des Weinvermarkters, es handele sich um eine Angabe zum allgemeinen Wohlbefinden, weshalb sie keinen Gesundheitsbezug aufweise, nicht gefolgt. Aus dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV gehe hervor, dass eine „gesundheitsbezogene Angabe“ ausgehend von dem Zusammenhang definiert wird, der zwischen einem Lebensmittel (oder seinen Bestandteilen) und der Gesundheit bestehen muss. Diese Definition enthalte weder genauere Angaben dazu, ob es sich um einen unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang handeln muss, noch zu dessen Intensität und Dauer. Unter diesen Umständen sei der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen.

Damit verwirft der EuGH die vom BVerwG als vorlegender Instanz geäußerten Erwägungen, es spreche einiges dafür, eine gesundheitsbezogene Angabe erst dann anzunehmen, wenn längerfristige, nachhaltige Auswirkungen auf den körperlichen Zustand oder die Befindlichkeit angesprochen würden und nicht bloß flüchtige Einwirkungen auf Stoffwechselvorgänge. Der EuGH stellt klar, dass sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus würdigt das Gericht den Umstand, dass neben der positiven Auslobung „bekömmlich“ auch das Fehlen oder die Minderung negativer oder schädlicher Auswirkungen suggeriert wurde, was für den Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe ebenfalls relevant sei.

Obwohl die Entscheidung im Rahmen der Alkoholwerbung erging und der EuGH ausdrücklich auf Art. 4 Abs. 3 S. 1 HCV hinweist, der vorsieht, dass gesundheitsbezogene Angaben bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent ausnahmslos verboten sind, wird die Entscheidung weitreichende Auswirkungen auf die Rechtsprechung auch im Bereich außerhalb der Werbung für alkoholische Getränke haben. Das weite Verständnis des Begriffs „Zusammenhang zwischen Lebensmittel und Gesundheit“ ist im Lebensmittelrecht bereichsübergreifend anzuwenden. Das „allgemeine Wohlbefinden“ gerät damit weiter ins Hintertreffen.

BGH: Wirksamkeitsnachweis bei einer Ergänzenden Bilanzierten Diät.

BGH I ZR 44/11, Urt. v. 15.03.2012 – „Artrostar“: Der Wirksamkeitsnachweis bei einer Ergänzenden Bilanzierten Diät gegen Gelenkschmerzen verlangt eine placebokontrollierte Doppelblindstudie, weil in diesem Sonderfall objektiv messbare organische Befundmöglichkeiten fehlen und der Wirksamkeitsnachweis, der gemäß Art. 3 S. 2 der Richtlinie 1999/21/EG durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist, allein von einer Beurteilung des subjektiven Empfindens der Probanden abhängt.

Anmerkung: Auch wenn der BGH in seiner „Priorin“-Entscheidung ausführt, bei der Frage der Wirksamkeit bilanzierter Diäten sei ein bis ins Einzelne gehender Nachweis des diätetischen Wirkungszusammenhangs nicht erforderlich (BGH ZLR 2009, 76/81), so kommen Hersteller auch im lebensmittelrechtlichen Bereich bei Auslobungen, die ausschließlich das subjektive Empfinden des Verbrauchers ansprechen, um Studien nicht herum, die den Standards des Arzneimittelrechts genügen.

OLG Hamburg – Praebiotik + Probiotik I

OLG Hamburg, Urt. v. 14.06.2012 – 3 U 5/12: Nach Auffassung des OLG Hamburg handelt es sich bei der Aussage eines Herstellers von Baby-Folgenahrung „Magen-Darm-Probleme“ träten bei Kindern, die eine Folgenahrung mit Praebiotika und Probiotika erhalten, um 61% verringert auf im Vergleich zu Kindern, die eine Folgenahrung nur mit Probiotika erhalten, um eine Werbung mit Krankheitsbezug i. S. v. § 12 Abs. 1 LFGB. Diese Werbung sei daher verboten. § 12 LFGB sei neben Art. 14 Abs. 1 Healthclaimsverordnung (VO EG Nr. 1924/2006) anwendbar. Das Verbot des § 12 LFGB setze nicht voraus, dass die Werbeaussage eine konkrete Krankheit benennt. Es genüge ein indirekter Bezug, der hier gegeben sei. Die Aussage sei nicht nur als Hinweis auf eine bessere Verträglichkeit zu verstehen. Zumindest seien Magen-Darm-Beschwerden mit Krankheitswert „auch“ erfassbar. Diese Mehrdeutigkeit müsse der Hersteller gegen sich gelten lassen.

Anmerkung: Das Gericht vertritt eine sehr weite Auslegung des Krankheitsbegriffs. Gerade bei Kleinkindern wird der informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (i. d. R. die Eltern) unter „Magen-Darm-Problemen“ keine Krankheit, sondern vielmehr die alltäglichen „Verdauungsprobleme mit Bauchweh und durchwachten Nächten“ verstehen. Die Entscheidung vermittelt ein Verbraucherleitbild, das nicht mehr in die heutige Zeit passt. Gleichwohl sind Hersteller und Werbende gehalten, bei Claims lieber noch eine Klarstellung mehr zu verwenden, vorliegend z.B. mit den Worten „alltäglich“ oder „bei Kleinkindern entwicklungsbedingt“.