Die Healthclaims-Verordnung

Ab 01.07.2007 wird die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel – sog. Healthclaims-Verordnung – wirksam. Die Verordnung enthält neue Regelungen zur Kennzeichnung und Bewerbung von Lebensmitteln jedweder Einstufung, also insbesondere herkömmliche Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel. In Zukunft wird die Frage, ob ein Lebensmittel eine bestimmte Angabe tragen darf, davon abhängig sein, ob das Produkt bestimmte Substanzen enthält oder ob es ein definiertes Nährwertprofil erfüllt. Für die Hersteller und Vertreiber von Lebensmitteln, die gesundheits- und/oder nährwertbezogene Angaben verwenden, entstehen verschiedene Handlungserfordernisse, welche nachfolgend konkretisiert werden.

I.  Anwendungsbereich der Verordnung

Die Verordnung gilt für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln gemacht werden, die an den Endverbraucher abgegeben werden; zudem gilt sie für die Werbung für Lebensmittel.[1] Nicht kommerzielle Mittelungen sind z. B. solche der Presse oder wissenschaftliche Veröffentlichungen.[2] Für lose Ware gelten die üblichen Ausnahmen von der Kennzeichnung auch in Bezug auf Angaben nach der Healthclaims-Verordnung: Nährwertangaben und gesundheitsbezogene Warnhinweise sind grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. Art. 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 i. V. m. Art. 7 und 10 Abs. 2 lit. a und b). Handelsmarken, Markennamen und Phantasiebezeichnungen, die in Verbindung mit einer Angabe i. S. d. VO stehen, werden ausdrücklich mit erfasst (Art. 1 Abs. 3). Für allgemeine Kategoriebezeichnungen, wie z. B. Hustenbonbon oder Digestif, können auf Antrag Ausnahmen nach einem bestimmten Verfahren vorgesehen werden (Art. 1 Abs. 4; Erwägungsgrund 5).

II.  Definitionen

Besonders wichtig sind folgende Begriffsbestimmungen[3]:

–          Angabe ist jede Aussage oder Darstellung, die nach dem EU-Recht oder nach dem Recht der Mitgliedstaaten nicht obligatorisch ist und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt Art. 2 Abs. 1 Nr. 1). Dies gilt auch für Darstellungen und Bilder, grafische Elemente und Symbole in jeder Form. Der Begriff der Angabe ist also weit gefasst worden, er gilt für die Kennzeichnung und Werbung gleichermaßen.

–          Nährwertbezogene Angabe ist jede Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 in Bezug auf:

  • die Energie (Brennwert), die das Lebensmittel liefert, in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert und/oder
  • die Nährstoffe oder andere Substanzen, die es enthält, in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält.

–          Gesundheitsbezogene Angabe ist jede Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 1, mit der ein Zusammenhang hergestellt wird zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits.

III.  Allgemeine Grundsätze für alle Angaben

Die Verordnung kodifiziert in Art. 3 die bisher nach der Rechtsprechung und Literatur geltenden allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts auch in Bezug auf nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben. Insbesondere sind verboten: Angaben, die

–          falsch, mehrdeutig oder irreführend sind,

–          Zweifel über die Sicherheit und/oder die ernährungsphysiologische Eignung anderer Lebensmittel wecken,

–          zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels ermutigen oder diesen wohlwollend darstellen,

–          erklären oder sonst suggerieren, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderliche Nährstoffmenge liefern kann,

–          Aussagen, die Ängste auslösen oder daraus Nutzen ziehen können.

Zudem müssen sich nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen (Art. 6 Abs. 1) und müssen dem durchschnittlichen Verbraucher verständlich sein (Art. 5 Abs. 2).

IV.  Allgemeine Bedingung für die Zulässigkeit von nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben: Das Lebensmittel entspricht Nährwertprofil

Lebensmittel dürfen zukünftig nur dann nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben enthalten, wenn sie bestimmten Nährwertprofilen entsprechen (Art. 4 Abs. 1). Bis zum 19.01.2009 hat die Kommission Zeit, diese Nährwertprofile in Zusammenarbeit mit den Interessengruppen (Verbände etc.) festzulegen. Dabei finden insbesondere folgende Faktoren Berücksichtigung:

– Nährstoffmengen, z. B. Mengen an Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz etc.,

– Rolle und Bedeutung des Lebensmittels für die Ernährung der Bevölkerung,

– gesamte Nährwertzusammensetzung.

Von dem Grundsatz, dass Lebensmittel, die mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben den zu entwickelnden Nährwertprofilen entsprechen müssen, sind Ausnahmen vorgesehen für nährwertbezogene Angaben zur Verringerung von Fett, gesättigten Fettsäuren, trans-Fettsäuren, Zucker und Salz/Natrium (Art. 4 Abs. 2 lit. a). Ferner wenn nur ein einziger Nährstoff das Profil übersteigt und in unmittelbarer Nähe zur nährwertbezogenen Angabe die Angabe „Hoher Gehalt an…“ steht (Art. 4 Abs. 2 lit. b).

Generell unzulässig sind gesundheitsbezogene Angaben bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent. Hier sind nährwertbezogene Angaben nur zulässig, soweit sich diese auf einen geringen Alkoholgehalt oder eine Reduzierung desselben oder des Brennwertes beziehen (Art. 4 Abs. 3).

V.    Weitere allgemeine Bedingungen für die Vornahme von nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben

Gemäß Art. 5 sind Angaben nur zulässig, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

– wissenschaftlich belegbare positive Wirkung der ausgelobten Eigenschaft,

– der ausgelobte Stoff ist in signifikanter Menge vorhanden bzw. er ist, soweit negative Auslobung, nicht oder in einer verringerten Menge vorhanden, was geeignet ist, die ausgelobte Wirkung zu erzielen,

– der Nährstoff, auf den sich eine positive Auslobung bezieht, liegt in einer dem Körper verfügbaren Form vor,

– die Menge des Produkts, die vernünftiger Weise verzehrt wird, liefert eine signifikante Menge des (positiv) ausgelobten Stoffs,

– die Angaben müssen sich gemäß der Anweisung des Herstellers auf das verzehrsfertige Lebensmittel beziehen.

VI.  Besondere Bedingungen für nährwertbezogene Angaben

Nur solche nährwertbezogenen Angaben sind zulässig, die im Anhang der Healthclaims-Verordnung aufgeführt sind und die dort vorgesehenen spezifischen Bedingungen erfüllen. Der Anhang enthält etwas mehr als zwanzig verschiedene Angaben und die jeweiligen Bedingungen für ihre Verwendung, z. B. die Angabe „Hoher Ballaststoffgehalt“. Eine derartige Angabe oder Angaben, die für den Verbraucher dieselbe Bedeutung haben, sind nur zulässig, wenn das Produkt mindestens 6 g Ballaststoffe pro 100 g bzw. (bei flüssigen Lebensmitteln) mindestens 3 g pro 100 kcal enthält (Art. 8 Abs. 1 i. V. m. dem Anhang der Verordnung). Ähnliche Bedingungen enthält der Anhang der Verordnung z. B. für Vitamine, Proteine, Fette, Zucker u. s. w. Der Anhang kann nach einem bestimmten Verfahren erweitert / abgeändert werden (Art. 8 Abs. 2).

VII.  Besondere Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben

Gesundheitsbezogene Angaben waren bisher erlaubt, soweit sie die üblichen Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllten, insbesondere wissenschaftlich belegbar und nicht irreführend waren. Mit der Healthclaims-Verordnung statuiert der EU-Gesetzgeber ein grundsätzliches Verbot bestimmter gesundheitsbezogener Angaben. Die übrigen gesundheitsbezogenen Angaben sind verboten, stehen jedoch unter einem Erlaubnisvorbehalt.

1.       Generelles Verbot

Folgende gesundheitsbezogene Angaben sich gemäß Art. 12 generell verboten:

– Angaben, die den Eindruck erwecken, durch Verzicht auf das Lebensmittel könnte die Gesundheit beeinträchtigt werden,

– Angaben über Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme,

– Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe etc. verweisen. Ausgenommen sich Verweise auf Vereinigungen von Fachleuten der Bereiche Medizin, Ernährung oder Diätetik oder von karitativen gesundheitsbezogenen Einrichtungen (Art. 12 lit. c i. V. m. Art. 11).

2.       Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

Gemäß Art. 10 Abs. 1 sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den oben erläuterten allgemeinen und besonderen Bedingungen entsprechen. Zudem sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, wenn sie nicht gemäß der Verordnung zugelassen und in eine entsprechende Liste[4] der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14 aufgenommen sind.

Sind die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, müssen die Kennzeichnung und die Werbung folgende Angaben erhalten:

– einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise,

– Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrsmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen,

– ggf. einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren,

– einen geeigneten Warnhinweis bei Produkten, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen können.

Bei Nahrungsergänzungsmitteln decken sich die Angaben nach Spiegelstrichen 1 und 2 zumindest zum Teil mit den Erfordernissen gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 NemV, sodass insoweit auf Doppelangaben verzichtet werden kann.

Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels sowie Verweise auf das Wohlbefinden sind zukünftig nur noch zulässig, wenn diesen Verweisen eine in der Liste[5] nach Art. 13 und 14 enthaltene spezielle Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3). Damit werden allgemeine Angaben unzulässig, soweit es den Herstellern nicht gelingt, einzelne Komponenten ihrer Produkte herauszugreifen, für die bereits passende und zugelassene Claims existieren oder für diese Claims selbst erfolgreich die Zulassung zu betreiben. Zu denken ist z. B. an Aussagen wie „Steigert das allgemeine Wohlbefinden“ oder „Baut Stress ab“, möglicherweise auch „Stärkt die Abwehrkräfte“. Es bleibt zu hoffen, dass die zuständigen Stellen von der Möglichkeit gemäß Art. 10 Abs. 4 Gebrauch machen und entsprechende Leitlinien zur Durchführung von Art. 10 erlassen.

3.       Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Art. 13 und 14

Spätestens am 31.01.2010 verabschiedet die Kommission eine Liste zulässiger Angaben. Diese Liste wird aufgrund der Daten erstellt, die bis Januar 2008 von den Mitgliedstaaten gesammelt und bei der Kommission eingereicht worden sind. Je vielfältiger / „vollständiger“ diese Liste ausfällt, desto besser für die Lebensmittelindustrie. Möchte ein Unternehmen eine Angabe verwenden, die nicht in der Liste aufgeführt ist, muss es ein in der Verordnung näher beschriebenes Zulassungsverfahren betreiben. Gesundheitsbezogene Angaben, die in der Liste enthalten sind, können grundsätzlich von jedem Unternehmen verwendet werden (Art. 17 Abs. 5). Es sind besondere Schutzbestimmungen zu beachten für die zugrundeliegenden wissenschaftlichen Daten und für das weitere für die Zulassung erforderliche Material (Art. 21).

VIII.   Fragen zur Anwendbarkeit der Healthclaims-Verordnung

Die Nährwertprofile und die Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben existieren noch nicht. Es fragt sich also, in welchem Umfang die Verordnung überhaupt schon gilt und welche Termine im Auge zu behalten sind. Hierzu folgende Aufstellung:

01.07.2007:         Die Verordnung wird wirksam (Art. 29). Sämtliche Produkte müssen in Kennzeichnung und Werbung grundsätzlich den Vorschriften der Verordnung entsprechen. Tun sie dies nicht und haben sie sich vor dem 01.07.2007 im Verkehr befunden, dürfen sie bis zu ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum, längstens aber bis zum 31.07.2009 weiterhin in den Verkehr gebracht werden (Art. 28 Abs. 1). Dies gilt nicht, soweit die Nährwertprofile erst beschlossen werden müssen: Insoweit bleiben Lebensmittel verkehrsfähig bis 24 Monate nach dem entsprechenden Kommissionsbeschluss, längstens bis 19.01.2011 (Art. 28 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 1).

Neuprodukte, die ab dem 01.07.2007 in den Verkehr gebracht werden, genießen keine Übergangsfristen. Für sie gilt neben den allgemeinen Bestimmungen insbesondere, dass ihre Nährwertangaben den Vorschriften im Anhang der Verordnung entsprechen müssen (s. oben VI.).

19.01.2008:         Gesundheitsbezogene Angaben über psychische Funktionen und schlank machende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften, die über keine nationale Zulassung verfügen, dürfen weiter verwendet werden, wenn vor dem 19.01.2008 ein Antrag gestellt wird. Wird dem Antrag nicht entsprochen, beträgt die Abverkaufsfrist sechs Monate nach der Entscheidung (Art. 28 Abs. 6, Art. 13, 17).

31.01.2008:         Stichtag für die Übermittlung der Listen durch die Mitgliedstaaten an die Kommission betreffend Angaben über

– die Bedeutung eines Nährstoffs / einer anderen Substanz für Wachstum und Körperfunktionen

– psychische Funktionen und schlank machende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften, Verringerung des Hungergefühls, verstärktes Sättigungsgefühl, verringerte Energieaufnahme (Art. 13 Abs. 2)

19.01.2009:         Stichtag für die Festlegung der Nährwertprofile durch die Kommission (Art. 4 Abs. 1).

19.01.2010:         Ende der Übergangsfrist für nährwertbezogene Angaben, die vor dem 01.01.2006 verwendet wurden und nicht im Anhang der Verordnung aufgeführt sind (Art. 28 Abs. 3).

31.01.2010:         Stichtag für die Verabschiedung der Liste von Angaben über

– die Bedeutung eines Nährstoffs / einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen

– psychische Funktionen und schlank machende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften, Verringerung des Hungergefühls, verstärktes Sättigungsgefühl, verringerte Energieaufnahme (Art. 13 Abs. 3)

31.01.2010:         Ende der Übergangsfrist für nach bisherigem Recht und nach den übrigen Vorschriften der Healthclaims-Verordnung zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben über die Bedeutung eines Nährstoffs / einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen (Art. 28 Abs. 5).

19.01.2011:         Ende der Übergangsfrist für den Nährwertprofilen nicht entsprechende Produkte (Art. 28 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 1).

19.01.2022:         Ende der Übergangsfrist für Produkte, deren Handelsmarken / Markennamen vor dem 01.01.2005 bestanden und der Verordnung nicht entsprechen (Art. 28 Abs. 2).

Stand: 30.04.2007, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de 


[1] Art. 1 Abs. 2 VO (EG) 1924/2006. Nachfolgende Nennungen von Vorschriften beziehen sich, soweit nichts anderen angegeben ist, auf diese Verordnung.

[2] Vgl. Erwägungsgrund 4.

[3] Weitere Definitionen s. Art. 2.

[4] Zur Liste s. unten VII. 3.

[5] Zur Liste s. unten VII. 3.