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Verpackungsgesetz – Die Systembeteiligungspflicht und erweiterte Meldepflichten

Am 1. Januar 2019 tritt das neue Verpackungsgesetz vollständig in Kraft. Es löst die bisherige Verpackungsverordnung ab. Eines der für Marktteilnehmer ganz wesentlichen  Handlungserfordernisse ist die Prüfung, inwieweit sich Änderungen bei der Systembeteiligungspflicht sowie Registrierungs- und Meldepflichten ergeben.

Welche Verpackungen unterliegen der Systembeteiligungspflicht?

Grundsätzlich gilt: „Nur was mit Ware befüllt ist und beim privaten Endverbraucher Müll produziert, ist beteiligungspflichtig.“

Systembeteiligungspflichtige Verpackungen sind gemäß § 3 Abs. 8 VerpackG mit Ware befüllte Verkaufsverpackungen sowie Umverpackungen (neu!), die nach Gebrauch typischerweise beim privaten Endverbraucher als Abfall anfallen. Endverbraucher ist derjenige, der die Ware in der an ihn gelieferten Form nicht mehr gewerbsmäßig in Verkehr bringt (§ 3 Abs. 8 VerpackG). „Private“ Endverbraucher sind nicht nur private Haushaltungen, sondern auch vergleichbare Anfallstellen im Sinne des § 3 Abs. 11 VerpackG, z. B. Gaststätten, Hotels, Raststätten, Kantinen, Verwaltungen, Kasernen, Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen, karitative Einrichtungen, Niederlassungen von Freiberuflern, typische Anfallstellen des Kulturbereichs wie Kinos, Opern und Museen, und des Freizeitbereichs wie Ferienanlagen, Freizeitparks und Sportstadien sowie unter bestimmten Voraussetzungen landwirtschaftliche Betriebe und Handwerksbetriebe.

Verkaufsverpackungen sind auch Serviceverpackungen (z. B. die Brötchentüte vom Bäcker) und Versandverpackungen (das Päckchen vom Internetshop).

Durch die Formulierung „als Abfall anfallen“ wird klargestellt, dass es darauf ankommt, wo die Verpackungen typischerweise entsorgt werden.

Nicht systembeteiligungspflichtig sind Verpackungen, die typischerweise bei Weiterverteibern oder im Ausland als Abfall anfallen, z. B. gewerbliche Verpackungen, die beim Vertreiber verleiben, wie Bulk- oder Großgebindepackungen, Transportverpackungen (= Verpackungen, die die Handhabung und den Transport von Waren in einer Weise erleichtern, dass deren direkte Berührung sowie Transportschäden vermieden werden, und typischerweise nicht zur Weitergabe an den Endverbraucher bestimmt sind), Mehrwegverpackungen, pfandpflichtige Einweggetränkeverpackungen, Verkaufsverpackungen schadstoffhaltiger Füllgüter und Exportverpackungen.

Die Einzelheiten können einem Katalog der ZSVR (Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister) entnommen werden, den diese auf ihrer Website veröffentlicht. Der Katalog dient der Unterstützung der Erstinverkehrbringer bei der Einstufung ihrer Verpackungen; bei Zweifeln über die tatsächliche Systembeteiligungspflicht im Einzelfall kann bei der Stiftung ein entsprechender Antrag zur Einstufung gestellt werden. Hierbei sind wir Ihnen gerne behilflich.

Wen trifft die Systembeteiligungspflicht?

Von Grundsatz her gilt: „Wer befüllt, meldet und beteiligt sich.“

Die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1 S. 1 ist vom Wortlaut her etwas irreführend, weil Sie schlicht vom „Hersteller“ spricht:

„Hersteller von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen haben sich mit diesen Verpackungen zur Gewährleistung der flächendeckenden Rücknahme an einem oder mehreren Systemen zu beteiligen.“ (§ 7 Abs. 1 S. 1 VerpackG)

Daraus darf jedoch auf keinen Fall geschlossen werden, dass diejenigen beteiligungspflichtig seien, die die Verpackung ursprünglich einmal hergestellt haben. Vielmehr knüpft der Gesetzgeber die Beteiligungspflicht an denjenigen, der eine mit Ware befüllte Verpackung, die bei den o. g. privaten Endverbrauchern typischerweise als Abfall anfällt, erstmalig vertreibt. Damit gilt de facto ein sehr weiter Herstellerbegriff. Streng genommen stellt der Gesetzgeber auf den Vertreiber, nicht auf den Hersteller im engeren Sinne ab. Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich beim Hersteller um einen Unterfall des Vertreibers, nämlich um denjenigen Vertreiber, der Verpackungen erstmals gewerbsmäßig in Verkehr bringt (BT-Drs. 18/11274, S. 85). Diese in der Handelskette etwas befremdliche Definition ist jedoch noch nicht entscheidend. Mit „Herstellung“ ist nämlich noch nicht die originäre Produktion z. B. eines Kartons gemeint. Vielmehr muss noch ein weiterer Schritt, nämlich die Befüllung mit Ware, hinzutreten. Erst jetzt liegt eine „Herstellung i. S. d. VerpackG“ vor. Dies ergibt sich jedoch (leider) nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, sondern erst aus der Begründung:

„Als Hersteller von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen gilt nach den Begriffsbestimmungen des Herstellers in § 3 Absatz 14 und der systembeteiligungspflichtigen Verpackungen in § 3 Absatz 8 derjenige, der mit Ware befüllte Verkaufs- und Umverpackungen, die nach Gebrauch typischerweise beim privaten Endverbraucher als Abfall anfallen, erstmals gewerbsmäßig in Verkehr bringt, also in der Regel der „Abfüller“.“ (BT-Drs. 18/11274, S. 87)

Beispiele für systembeteiligungspflichtige Personen:

– Hersteller/Abfüller von Verkaufsverpackungen im engeren Sinne (= Verpackungen, die typischerweise dem Endverbraucher als Verkaufseinheit aus Ware und Verpackung angeboten werden)

— aber: keine Lohnhersteller (eigentlich „Lohnabfüller“, weil das Gesetz unter Herstellung eigentlich die Befüllung versteht), wenn, wie im Falle von § 3 Abs. 9 S. 2 VerpackG, kein Inverkehrbringen vorliegt: „Nicht als Inverkehrbringen gilt die Abgabe von im Auftrag eines Dritten befüllten Verpackungen an diesen Dritten, wenn die Verpackung ausschließlich mit dem Namen oder der Marke des Dritten oder beidem gekennzeichnet ist.“

– Hersteller/Abfüller von Verkaufsverpackungen im weiteren Sinne:

— Hersteller/Abfüller von Serviceverpackungen (= Verpackungen, die der Letztvertreiber befüllt, um die Übergabe von Waren an den Endverbraucher zu ermöglichen oder zu unterstützen), z. B. Imbisstüte vom Wochenmarktstand; hier ist auf die Delegationsmöglichkeit der Systembeteiligung auf den Vorvertreiber gemäß § 7 Abs. 2 VerpackG hinzuweisen. Damit ist es z. B. Lebensmittelgeschäften und Imbissbuden gestattet, „vorlizenzierte Serviceverpackungen“ anzubieten.

— Hersteller/Abfüller von Versandverpackungen, z. B. Versandpäckchen eines Onlineshops, der selbst in diese Versandpäckchen abfüllt.

— Inverkehrbringer mit Sitz im Ausland, da als Hersteller auch derjenige gilt, der Verpackungen gewerbsmäßig in den Geltungsbereich des Gesetzes einführt.

– Hersteller/Abfüller von Umverpackungen (= Verpackungen, die eine bestimmte Anzahl von Waren enthalten und typischerweise dem Endverbraucher zusammen mit den Waren angeboten werden oder zur Bestückung der Verkaufsregale dienen), z. B. Faltschachtel für Zahnpastatube, Karton für mehrere Tetrapaks mit Milch.

Registrierungs- und Meldepflichten

Hersteller/Abfüller sind gemäß § 9 Abs. 1 VerpackG verpflichtet, sich vor dem Inverkehrbringen

von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen bei der ZSVR registrieren zu lassen. Änderungen von Registrierungsdaten sowie die dauerhafte Aufgabe der Herstellertätigkeit sind der Zentralen Stelle unverzüglich mitzuteilen. Neben allgemeinen Daten wie Adresse, vertretungsberechtigte Person u.s.w. sind auch Marken anzugeben, unter denen vertrieben wird.

Darüber hinaus bzw. anschließend sind Hersteller/Abfüller gemäß § 10 Abs. 1 VerpackG verpflichtet, die im Rahmen einer Systembeteiligung getätigten Angaben zu den Verpackungen unverzüglich auch der ZSVR unter Nennung mindestens der folgenden Daten zu übermitteln:

  1. Registrierungsnummer;
  2. Materialart und Masse der beteiligten Verpackungen;
  3. Name des Systems, bei dem die Systembeteiligung vorgenommen wurde;
  4. Zeitraum, für den die Systembeteiligung vorgenommen wurde.

Des Weiteren muss unter bestimmten Voraussetzungen eine Vollständigkeitserklärung abgegeben werden; hier greifen jedoch bei Unterschreitung bestimmter Mengen Befreiungstatbestände (vgl. § 11 Abs. 4 VerpackG). Für Systembeteiligungs- und Meldepflichten gibt es hingegen keine mengenbezogenen Ausnahmen (Registrierungs- und Beteiligungspflicht ab der ersten Verpackung).

Stand: August 2018

BVerwG: Selbstbedienungsverbot für OTCs trotz Arzneimittelversandhandel

Das Bundesverwaltungsgericht hält im Falle der Auslage von OTCs im Freiwahlbereich der Apotheke das Selbstbedienungsverbot für apothekenpflichtige Arzneimittel (§ 52 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 AMG, § 17 Abs. 3 ApBetrO) trotz Zulassung des Versandhandels nach wie vor für anwendbar (BVerwG Urt. v. 18.10.2012 – 3 C 25.11). Einem Apotheker war behördlich untersagt worden, OTCs im Freiwahlbereich feilzubieten. Das BVerwG bestätigte diese Entscheidung. Die Zulassung des Versandhandels durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 führe zu keiner anderen verfassungsrechtlichen Bewertung. Der vom Apotheker geltend gemachte Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liege nicht vor. Zwar könnten faktische Neuerungen im  Arzneimittelvertrieb und sie nachvollziehende Rechtsvorschriften Bedeutung gewinnen für die Frage, ob Beschränkungen der Arzneimittelabgabe nach Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind. Gefahreinschätzungen seien nicht mehr schlüssig, wenn identischen oder vergleichbaren Gefährdungen in denselben oder in anderen, aber dieselbe Materie bestreffenden Gesetzen unterschiedliches Gewicht beigemessen wird (BVerfGE 107, 186/197). Dies ist nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht der Fall aus dreierlei Gründen: 1. unterscheide sich der Versandhandel insofern vom Präsenzhandel als der Kunde im Versandhandel häufig nicht beratungsbedürftig sei, weil er z.B. als Chroniker oder bei wiederholter Medikation mit den bestellten Arzneimitteln bereits vertraut sei. Demgegenüber sei bei der Präsenzapotheke zu berücksichtigen, dass diese von vielen Kunden mit akuten Beschwerden kurzfristig aufgesucht würden, was deren Beratungsbedarf erhöhe. 2. unterliege auch die Arzneimittelabgabe im Versandhandel der uneingeschränkten Kontrolle des Apothekers. Der Gesetzgeber verzichte lediglich darauf, den Abgabevorgang räumlich an die Präsenzapotheke zu binden. Er verlange aber wie beim Kauf vor Ort, dass die Medikamente institutionell durch die Apotheke und verantwortlich durch den Apothekenleiter und dessen Personal abgegeben werden. Die Vertriebsform des Versandhandels sei mit der Selbstbedienung auch nicht vergleichbar. Zwar möge man gewisse Anklänge daran sehen, dass der Kunde bei der Bestellung über das Internet einen virtuellen Warenkorb füllen kann. Darin liege aber kein freier Warenzugriff, wie er für die Selbstbedienung kennzeichnend sei. Denn eine Aushändigung des ausgesuchten Medikaments sei damit nicht verbunden. 3. zeigten die Beratungsvorschriften des § 17 Abs. 2a Nr. 7 ApBetrO, dass der Normgeber der Beratung auch im Versandhandel besondere Bedeutung zumesse.

Anmerkung: Die Begründung des Gerichts überzeugt nicht. Ad 1: Im ersten Teil seiner Begründung argumentiert das BVerwG im Kern damit, dass die Kunden im Versandhandel weniger beratungs- und damit weniger schutzbedürftig seien als in der Präsenzapotheke. Dies mag für einen Teil der Kunden durchaus zutreffen (z. B. Patienten mit sich wiederholender Medikation), betrifft jedoch keinesfalls den gesamten Kundenkreis. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Versandapotheken auch von Kunden in Anspruch genommen werden, die derjenigen Gruppe zugehörig sind, die das Gericht gerade den Präsenzapotheken zuweist, also Kunden mit akuten Beschwerden und kurzfristigem Versorgungs- und Beratungsbedarf. Dieser Tatsache versuchen § 11a ApoG S. 1 Nr. 3a (Versendungsfrist) und § 17 Abs. 2a S. 1 Nr. 7 ApBetrO (Beratung) gerade gerecht zu werden. Wenn demnach jedenfalls ein Teil derjenigen Apothekenkunden, dies das Gericht bei der Präsenzapotheke ansiedelt, auch im Versandhandel bestellt, greift die Differenzierung des Gerichts in unterschiedliche Kundenkreise nicht durch.

Ad 2: Wenn das Gericht in zweiter Argumentationsstufe weiter zu differenzieren versucht, im Versandhandel unterliege die Arzneimittelabgabe der uneingeschränkten Kontrolle des Apothekers, so ist diese Feststellung für sich betrachtet zwar zutreffend. Denn der Apotheker (bzw. sein Personal) muss die Abgabe, also den Versand des Päckchens, freigeben. Diese Feststellung greift jedoch für die vorliegende Beurteilung der Zulässigkeit der Auslage von OTCs im Freiwahlbereich der Offizin zu kurz. Denn auch bei der Selbstbedienung bleibt dem Apotheker (bzw. seinem Personal) die uneingeschränkte Kontrolle über die Arzneimittelabgabe. Der Kunde muss die Ware erst zur Kasse bringen, bezahlen und ausgehändigt erhalten, bevor er darüber verfügen kann. Erst nach Übergabe der Ware durch den Apotheker verlässt diese dessen Verfügungsgewalt. Dies entspricht genau dem vom BVerwG für den Versandhandel angeführten Freigabevorgang. Ein qualitativ werthaltiges Unterscheidungskriterium zwischen der Abgabe eines OTC-Präparats über das Internet einerseits und über den Freiwahlbereich der Präsenzapotheke andererseits kann folglich nicht festgestellt werden: In beiden Fällen geht der Kunde mit seinem „Warenkorb“ (einmal virtuell, einmal real) zur Kasse; in beiden Fällen prüft das Apothekenpersonal den Kaufgegenstand unter pharmazeutischen Gesichtspunkten und gibt ihn anschließend frei.

Ad 3: Dass der Gesetzgeber der pharmazeutischen Beratung auch im Versandhandel eine hohe Bedeutung zumisst, ist zutreffend. Jedoch folgt daraus nicht, dass der Beratungsbedarf in der Präsenzapotheke höher zu veranschlagen ist. Vielmehr darf die Beratungsqualität im Versandhandel gerade wegen der gesetzgeberischen Wertung nicht hinter dem Präsenzhandel zurückstehen. Damit ist auch dieser Argumentationsansatz des Gerichts für eine Differenzierung zwischen Versandhandel und Abgabe über den Freiwahlbereich untauglich.

Zusammenfassung:

Das BVerwG erklärt das Angebot von OTC-Arzneimitteln in der Freiwahl der Präsenzapotheke für eine unzulässige Selbstbedienung i. S. d. § 17 Abs. 3 ApBtrO. Eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Präsenzapotheken mit Blick auf den zugelassenen Versandhandel vermag das Gericht nicht zu erkennen. Es begründet seine Auffassung, indem es versucht entscheidende Unterschiede zwischen dem Angebot in der Freiwahl einerseits und dem Angebot im Internet andererseits herauszuarbeiten. Allerdings erweisen sich die hierzu angeführten Argumente als nicht überzeugend. Insbesondere unterscheidet sich die Klientel von Internet- und Präsenzapotheken und damit der Beratungs- und Schutzbedarf der Kunden nicht grundlegend. Hinzu tritt, dass sowohl der Versand- wie auch der Präsenzapotheker die Verfügungsgewalt über das pharmazeutische Präparat bis zur Abgabe vollumfänglich behält. Daher wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht die Schlüssigkeit der Gefahreinschätzung deutlicher zu hinterfragen gewesen (vgl. BVerfGE 107, 186/197), was das Urteil durchaus angreifbar macht.